Unternehmer sind Macher, die etwas bewegen wollen. Stimmt diese positive Beschreibung? Oder sind Ihnen schon Geschäftsführer begegnet, die sich im Status quo suhlen und um Gottes willen keine Veränderung der geschäftlichen Situation wünschen? Die gern alles beim Alten belassen möchten, die sich niemals nörgelnde Kunden, den immer gleichen Markt, stets blasse Mitbewerber und dauerstabile Mitarbeiter wünschen?
Zugegeben: Jeder Mensch sehnt sich nach verlässlicher Stabilität. So packen wir Unternehmer gern an, mögen die Entwicklung, wünschen uns dabei jedoch, dass der hektische Druck der Aufbauzeit eines Tages berechenbarer Verlässlichkeit gewichen sein wird. Jeder lehnt sich gern einmal zurück und möchte innehalten.
Doch wie viel permanente Veränderung bringt der Business-Alltag unserer Zeit? Wie viel Freude an der Veränderung muss ein Unternehmer mitbringen, damit er nachhaltig erfolgreich ist?
Die Unternehmensgründung ist zuerst einmal in den meisten Fällen eine Änderung des Lebens der Gründer. Sie stürzen sich (hoffentlich) mit Eifer und Kompetenz auf die Arbeit. Sie bauen eine Firma auf, entwickeln Produkte oder Dienstleistungen und akquirieren ihre ersten Kunden. Meist stimmen die theoretischen Blaupausen des eigenen Angebots nicht genau mit der wirklichen Nachfrage überein. Und so verändern die Unternehmer in den ersten Jahren vornehmlich ihre Produkte und Dienstleistungen, passen sie an Kundenwünsche und Markt an. Die ersten Jahre des echten Unternehmerlebens sind Veränderung pur. Es ändern sich auch die Kontostände. Zuerst nach unten dank zahlreicher Investitionen, dann sollten sie stagnieren und im besten Fall anschließend wachsen bis zum Breakeven. Auch die Größe der Zahlen sollte sich verändern.
Wenn die Firma mit ihren Umsätzen und Aufgaben wächst, müssen bald mehr Menschen her. Die Unternehmer stellen die ersten Mitarbeiter ein. Wieder fegt ein Sturm der Veränderung durchs Haus. Er wird im Lauf der Jahre abflauen, doch hoffentlich als frischer Wind immer durchs Unternehmen wehen. Denn früher oder später kommt sie meist: die erste Windstille.
Der Umsatz stagniert, die Kunden fliehen, Mitarbeiter werden missmutig und die Chefs sind ratlos. Was ist passiert? Ging es doch bis eben noch bergauf, sind wir plötzlich in einem Tal gelandet. Wie war das möglich?
Wenn die Unternehmer nicht spätestens jetzt reagieren und Veränderungen veranlassen, wird die Firma schrumpfen. Vielleicht in Schieflage geraten. Vielleicht beginnen zu sinken. Wie kann es so weit kommen, dass Unternehmer ihren Willen zur Veränderung oder ihren Kompass verlieren und ihre Firmen riskieren, haben sie doch anfangs bewiesen, dass sie die Entscheidungsfreude, den Elan und Kompetenz hatten, ihre Geschäftsidee zu verwirklichen. Ergo: aus einer kalkulierten Idee heraus die Wirklichkeit zu verändern und eine funktionierende Struktur, eine Firma, zu schaffen?
Sicher gibt es für einzelne Stagnationen verschiedene Gründe. Ich möchte hier exemplarisch zwei diskutieren. Der Erste ist ein allzu menschlicher. Chefs sind – auch wenn das manche nicht glauben mögen – Menschen. Sie haben begrenzte Ressourcen, sind nicht allwissend und selten allmächtig. Die Ressourcen beziehen sich hier auf die eigenen Kräfte, an denen viele Unternehmer, weil sie für ihre Ideen und Firmen brennen, über Jahre Raubbau betreiben. Anstatt kompetent mit den eigenen Energien umzugehen, schuften sie dauerhaft 60 bis 80 Stunden pro Woche, geben immer Vollgas und wundern sich, wenn plötzlich der Motor stottert.
Kommen wir zu einem zweiten Grund für Stagnation, der prinzipiell auch Voraussetzung für den ersten Grund ist: die Selbstüberschätzung. Manche Unternehmer können nicht zugeben, dass sie an ihre Kompetenzgrenzen stoßen. Fragen gelten als Schwäche. Coachings in Anspruch zu nehmen, wäre gleichbedeutend mit Versagen. Der Chef als Einzelkämpfer im Herzen. Er überblickt den Markt nicht mehr, hört keine Kundenwünsche, übersieht seine Mitarbeiter und ihr Leiden. Zum Schluss ist er verlassen, von Kunden, Mitarbeitern und den guten Geistern, die eine Gesundung ermöglicht hätten.Der kleine Bruder der bröckelnden Gesundheit ist der schwindende Elan. Meist klingelt er vorher an. Körper und Seele des Unternehmers sehnen sich wegen des ewigen Gebens an Energie und Konzentration, der stetig steigenden Verantwortung, nach Ruhe und Entspannung. Richtiger Ruhe, wochenlangem Nichtstun. Und so beginnt der müde Unternehmer sich nach Sättigung zu sehnen. Er wähnt sich angekommen, glaubt (oder hofft innig), seine Kunden nie wieder verlieren und seine Mitarbeiter dauerhaft halten zu können. Und der Chef ignoriert die Veränderungen draußen und drinnen. Wenn die Anzeichen des Missmanagements zu deutlich werden, kommen die Unternehmensärzte ins Haus: die Berater, die sodann auf einem Schwert tanzen. Sind ihre Ratschläge zu impulsiv, drohen sie an der Schärfe des Schwerts zu scheitern. Tänzeln sie wenig zielgerichtet, drohen sie abzustürzen. (Wobei die meisten Berater an einem dicken Sicherungsseil hängen, während ihr Auftraggeber gnadenlos in die Tiefe rauschen kann.).
Welche Möglichkeiten hat der Unternehmer, auf Veränderungen klug zu reagieren? Der erste Schritt sollte in einer wichtigen Erkenntnis bestehen: alles bewegt sich, ist im Fluss. Der Markt, der Wettbewerb, die Kunden, die Firmen, die Mitarbeiter, die Produkte und die Dienstleistungen. Nichts steht still. Es gibt kein Gleichgewicht. (Das ist übrigens ein Irrglaube vieler Marktideologen. Ihr Gott, der Markt, kann und wird nie in einem Gleichgewicht sein. Denn die Marktwirtschaft ist immer dynamisch. Gott und Wettbewerb sei Dank!) Wenn der Unternehmer von Anfang an die Veränderung umarmt (siehe unsere letzte Buchempfehlung), dann hat er eine gesunde und realistische mentale Grundlage für den Erfolg.
Die zweite wesentliche Voraussetzung, nicht zu stagnieren oder zumindest das Tal wieder verlassen zu können, wenn man es schon durchschreiten muss, liegt in einer simplen Weisheit begründet. Sokrates formulierte sie so griffig:
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Auch wir Unternehmer wissen oft nicht weiter. Kommen an die Grenzen unserer Kompetenz. Hier gibt es zwei Lösungen: Lernen oder Experten fragen. Schneller geht meist letzteres, weil Wissende weiterhelfen und ich als Unternehmer dabei lernen kann. Um Rat zu suchen, ist keine Schande, sondern weise und im Sinne des Unternehmens. Ach ja, oft sehen Chefs die günstigsten Experten vor lauter Hochmut nicht: die eigenen Mitarbeiter. Sie kennen den Markt, die eigenen Produkte und die Firma. Warum diese Menschen, die ein ureigenstes Interesse an guten Lösungen fürs Unternehmen haben, nicht fragen? Warum nicht häufiger einbeziehen?
Unternehmertum heißt Veränderung. Ich bin der Meinung: Wenn schon Unternehmer, dann richtig. Freuen wir uns auf die Veränderung, wachsen wir mit ihr und begreifen sie als etwas Großartiges.
Was denkst du?