Kennen Sie Menschen, die immer wieder über ihren Chef meckern und anmerken, dass sie es besser könnten? Oder Fußballfans, die es immer besser wissen als der Bundestrainer oder der Trainer ihres Vereins? Mir sind diese Dauertheoretiker öfters begegnet, und ich habe mich auch selbst früher dabei ertappt, wie ich meinte, bessere Entscheidungen in Unternehmen fällen zu können als der jeweilige Chef. (Wobei ich meist versuchte, selbstkritisch zu sein und meine Ideen jeweils im kleinen Kreis begutachten ließ und diskutierte, bevor ich oder wir sie Vorgesetzten präsentierten.) Letztlich blieben überraschend oft viele meiner Vorschläge als auch die Dauerkritiken der Theoretiker ungehört und das wegen desselben Phänomens: der inneren Grenzen.
Die inneren Grenzen gehören zu den Glaubenssätzen. Glaubenssätze sind Meinungen und Überzeugungen, die wir im Lauf unseres Lebens gebildet haben und die wir für »Wahrheiten« halten. Ein Beispiel ist: »Alle Männer sind Schweine«, oder »Alle Chefs sind unfähig.«
Die inneren Grenzen sind ein Glaubenssatz, der sich auf die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten bezieht oder auf den unmittelbar zu verantworteten Bereich. Der Glaubenssatz lautet: »Das kann ich nicht/Das werde ich nie können.« und »Das geht nicht.«
Betrachten wir kurz die innere Grenze »Das geht nicht.« Sie wird kurzerhand oft von erschreckend vielen Chefs geäußert, die unkreativ und veränderungsunwillig (geworden) sind. Natürlich unterbreiten manchmal Mitarbeiter Vorschläge und Ideen, die völlig unrealistisch und auch beim besten Willen praktisch nicht umsetzbar sind. Jedoch bergen meist auch die wahnwitzigsten Ideen einen Kern, der es wert ist, betrachtet zu werden. Und so kann aus einem »blöden Vorschlag« letztlich nach reichlich Betrachtung eine funktionierende Umsetzung erfolgen. Wenn Vorgesetzte jedoch immer wieder vorschnell Vorschläge abschmettern, werden die Mitarbeiter frustriert und unterbreiten infolge dessen im Lauf der Zeit immer weniger neue Ideen. So verstaubt die Abteilung oder Firma und wird früher oder später ihr Potenzial nicht mehr entfalten. Der Chef beraubt seiner eigenen Firma respektive Abteilung Chancen zur kostengünstigen Weiterentwicklung. (Teure Entwicklung wird dann oft, wenn es offensichtlich Veränderungen bedarf, durch externe Unternehmensberater eingekauft. Ob diese teuren Consultings wirklich bessere Ergebnisse liefern, darf oftmals bezweifelt werden.)
Kommen wir zum Satz »Das kann ich nicht.« Hier geht es um die persönlichen inneren Grenzen. Fakt ist: Was ich glaube, nie zu können, werde ich auch nie können. Denn um etwas zu lernen oder umzusetzen, brauche ich zuerst die Idee davon und dann den Willen, es zu tun. Habe ich weder die Idee bzw. Vorstellung von etwas und nicht den Funken des Willens, dann werde ich mich auch nicht verändern.
Das Perfide an den inneren Grenzen ist, dass wir sie uns nur selten bewusst machen. Vielmehr funktioniert unser Geist so, dass er sich viele Szenarien einfach nicht vorstellen kann. Viel zu unrealistisch! Nicht machbar! Zu gewagt!
Wenn Sie beispielsweise gern etwas abnehmen würden, jedoch schon 20 Jahre übergewichtig sind, dann haben Sie sich höchstwahrscheinlich selbst darauf programmiert, dass Sie einfach etwas kräftiger sind. Sie haben kein Bild von sich vor Augen, wie Sie schlank und fit sind. Oder stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einer Firma und wären in Ihrem Team der geeignetste Abteilungsleiter. Dummerweise haben Sie kein Diplom, damit brauchen Sie sich gar nicht erst ins Gespräch zu bringen für den Posten. Sie packen es demnach nicht an. Und warum nicht? Weil Sie es für aussichtslos halten. Weil alle sagen, dass es nicht geht. Und so setzen Sie sich gar nicht erst das Ziel, das Sie fordern und beruflich glücklicher machen würde.
Sie kennen sicher den Spruch:
Alle sagen: »Das geht nicht.« Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.
Natürlich können wir nicht alles erreichen. Und selbstverständlich muss jedes gesetzte Ziel auf Erreichbarkeit abgeklopft werden. Doch Ziele und vor allem ihre dahinter steckenden tieferen Bedürfnisse vorschnell ad acta zu legen, führt selten zu einem gelungenen Leben.
Wenn wir um das Konzept der inneren Grenzen wissen, was können wir nun praktisch tun?
Als Chef können Sie beispielsweise echtes Brainstorming mit Ihren Mitarbeitern veranstalten. Echt bedeutet, dass Sie zum Spinnen einladen. Kein Zensor, kein Realitätscheck. Alle lassen Ihrer Fantasie freien Lauf. (Um auch die inneren Zensoren, die Wächter unserer inneren Grenzen sind, auszuschalten, können Sie in der ersten Brainstorming-Runde dazu einladen, möglichst Vorschläge zu machen, die der Abteilung oder der Firma schaden. So werden die Gehirne auf freies Denken gepolt.) In einem nächsten Schritt bewerten Sie die Ideen und arbeiten den guten Kern heraus. Hier leistet ein professioneller Team Coach gute Unterstützung.
Die inneren Grenzen für die Persönlichkeitsentwicklung zu sprengen, ist um einiges schwieriger. Denn hier geht es um unser Weltbild, unser Selbstverständnis und um unsere Identität. Dies alles infrage zu stellen, kann schmerzhaft sein und unter Umständen die Seele aus der Balance bringen. Hier helfen Selbstbeobachtung und absolute Ehrlichkeit uns selbst gegenüber. Und natürlich kann und sollte ich gute Freunde öfters um ihre aufrichtige Meinung bitten, um mir bei der Selbsteinschätzung und letztlich Entwicklung zu helfen.
Wenn ich erst einmal beginne zu verinnerlichen, dass ich nicht mein Leben lang dick oder im Beruf auf der untersten Abteilungsebene gefangen bleiben muss, beginnt ein faszinierender Prozess. Die Fantasien werden mutiger, die Gedanken verwegener. Eine Strategie reift. Und plötzlich hält man für realistisch, was früher undenkbar schien. Sodann muss das Wichtigste folgen: die Umsetzung. Und so lernt auch unser Gehirn, dass es viel weniger gibt, das unabänderbar ist.
Ich hatte das Glück, dass mein Vater mir früher immer einen Satz einpaukte: »Kann ich nicht, gibt es nicht.« Vielleicht ohne zu wissen, wie sehr er mich damit formte, sorgte er so dafür, dass ich heute Herausforderungen suche und Veränderungen umarme. Lange, bevor sie da sind. Und so wuchsen mein Unternehmergeist, meine Freude, Menschen und Teams bei der Entwicklung zu helfen und meine Neugier immer weiter.
Der Unterschied zwischen den anfangs erwähnten Dauertheoretikern und den Machern ist, dass die einen nur reden, aber ihre inneren Grenzen nie sprengen. Die Anderen jedoch kennen manche Grenzen nicht oder akzeptieren sie eines Tages nicht mehr. Und so verändern sie sich und dann die Welt.
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