Ich stehe vor der Klasse.
Die Kollegen hatten mich gewarnt.
Hier sei an Unterricht nicht zu denken. Die Schüler seien nicht zu motivieren zum Lernen.
Ich will ihnen gern die Programme Word und Excel näherbringen. Doch statt mir zu folgen, bewerfen sich einige Schüler mit Papierkugeln und Stiften. Einer steht auf und setzt sich auf den Tisch neben einer Schülerin. Die Schüler in der ersten Reihe rollen entnervt mit den Augen. Sie würden gern lernen, doch das ist hier nicht möglich.
Ich schaue auf die Uhr. Wann ist dieser Horror-Tag endlich vorbei? Noch 6 Stunden! Verdammt! Wie überlebe ich das?
Der Tag wird sich unendlich lang ziehen. Und ich bereue, dass ich die Klasse übernommen habe.
Doch dann lese ich von einer neuen Methode eines Lehrers aus Wien. Damit konnte er seine Schüler deutlich besser zum Lernen motivieren.
Ich wandle die Methode testweise für meine Zwecke ab. Die einstige Horror-Klasse ist nicht wiederzuerkennen!
Viel Spaß beim Hören!
Alle Folgen von „Konflikt-Power aufs Ohr“ findest du hier.
Grüß dich! Du hörst die Folge 31 vom Podcast "Konflikt-Power aufs Ohr". Sie trägt den Titel "Motivieren zum Lernen. Drei Methoden für Lehrer, Trainer und Dozenten, Lernfaule zu bewegen". Mein Name ist Axel Maluschka.
Du erfährst hier ganz nebenbei, auf welchem Weg du andere Menschen motivieren kannst zu lernen. Diese Folge richtet sich hauptsächlich an Lehrer, Trainer und Dozenten. Doch auch als Chef wünscht du dir sicherlich manchmal, dass deine Mitarbeiter lernen oder sich für ein Thema, eine Aufgabe oder ein Ziel begeistern.
Und genau darum geht es heute. Wir starten wieder einmal mit Musik.
[Musik]
Heute richte ich mich also mal an eine spezielle Zielgruppe. Das bedeutet, wenn du kein Lehrer bist, kein Trainer, wenn du nicht häufiger mal vor Menschen stehst und mit Menschen arbeitest und diese motivieren musst, dann höre die Folge an oder auch nicht.
Ich denke aber, es ist für viele etwas Spannendes dabei. Denn von den Methoden, die wir Trainer und Lehrer anwenden, um Leute besser zu machen, um sie zu entwickeln, von diesen Methoden können sicherlich viele Menschen profitieren. Auch du selber.
Die drei Methoden, die ich heute vorstelle, sind genau genommen keine richtigen Methoden, wie sie sich vielleicht Lehrer und Trainer vorstellen. Denn der erste Punkt, das ist keine Methode, sondern eher eine Voraussetzung.
Und damit beginne ich auch gleich: die erste Voraussetzung, dass du anderen Menschen dein Thema näherbringst, dass du ihnen hilfst zu lernen, ist, dass du selber begeistert bist von deinem Thema.
Also Begeisterung für dein Thema ist eine absolute Voraussetzung dafür, dass du andere Menschen motivierst, sich ebenfalls für dein Thema zu interessieren.
Ich habe so viele schlechte Lehrer, vor allen Dingen natürlich damals in der Schule, aber auch später als Erwachsener, viele Trainer, viele Professoren, Dozenten erlebt, die wirklich nicht begeistert waren von ihrem Thema. Und interessanterweise hat sich dann eben auch bei mir nichts begeistern können. Da ist kein Funke übergesprungen. Denn wo kein Funke ist, da kann auch nichts überspringen.
Ich kann das Thema gar nicht genug betonen. Du solltest genau dann Lehrer werden; du solltest genau dann Trainer werden, wenn du für dein Thema brennst.
Wenn da nix in dir ist, wenn du nur Lehrer wirst, weil es da viele Ferien gibt oder weil du dir vorstellst, das ist ein angenehmer Beruf, dann kann ich dir nur eins sagen: Lass es bleiben! Such dir etwas anderes!
Genau das gilt für Trainer und Dozenten.
Sie sollten begeistert von ihrem Thema sein. Aber eben auch begeistert von der Möglichkeit, andere Menschen in diesem Bereich zu entwickeln, andere Menschen voranzubringen.
Also gehen wir mal davon aus, du bist begeistert von deinem Thema. Was ist dann Punkt Nummer zwei? Oder die zweite Methode?
Und jetzt kommen wir schon dem Begriff Methode etwas näher.
Hier möchte ich zuallererst einen Artikel zitieren. Den habe ich gefunden im Internet auf tagesspiegel.de. Dort wurde eine Metastudie oder besser gesagt ein Typ, der Metastudie gemacht hat, zitiert.
Dieser Typ heißt John Hattie. Das ist ein, wenn ich mich recht entsinne, neuseeländische Wissenschaftler, der in Australien lehrt und forscht.
Und der hat 15 Jahre lang Meta-Analysen zur Unterrichtsqualität untersucht.
Und er kommt zu einem ganz einfachen Schluss. Er sagt:
Das Wichtigste für den Lernerfolg der Schüler ist die Lehrkraft.
Es kommt auf den Lehrer an. Es kommt auf den Dozenten an, auf den Trainer.
Das heißt, wenn du zum Lernen motivieren willst, dann solltest du als Lehrer, als Trainer, als Dozent ein paar ganz einfache Dinge berücksichtigen und ein paar Eigenschaften mitbringen.
Letztlich möchte ich auf eins hinaus. Und das ist das, was ich selber lebe und wie ich selber auch zumindest von der Einstellung her an meine Teilnehmer und an die Schüler herangehe.
Ich begegne allen auf Augenhöhe und mit Respekt. Bevor du jetzt protestiert und sagst: "Hey, ich bin Lehrer, ich unterrichte Kinder. Ich kann die doch nicht behandeln wie Erwachsene."
Nein, das kannst du nicht. Und das meine ich auch nicht.
Ich erkläre gleich, wie ich es meine. Und vor allen Dingen, wie ich das umsetze.
Ich komme nochmal zurück auf den Artikel vom Tagesspiegel. Dort ist nämlich nicht nur John Hattie zu Wort gekommen, sondern auch der Bildungstheoretiker Hilbert Meyer. Und der hat die Frage beantwortet: Was macht einen guten Lehrer aus?
Ganz einfach: der bringt ein paar Eigenschaften mit. Und das wären:
Zunächst einmal zum Thema Augenhöhe.
Egal, ob ich jetzt junge Erwachsene oder auch gestandene Erwachsene unterrichte - das ist momentan bei mir natürlich der hauptsächliche Fall - ich lasse mich immer auf die Welt meiner Schüler oder meiner Workshop- und Trainingsteilnehmer ein.
Das heißt, ich versuche, die Welt dieser Menschen zu ergründen. Ich versuche, in sie einzutauchen. Ich versuche, ihre Wörter kennenzulernen, mit denen ich dann meine Themen erkläre und mit denen ich auch meine Begeisterung für mein Thema Kommunikation und Konfliktkultur zum Ausdruck bringe.
Das ist also Punkt Nummer eins. Das ist für mich Augenhöhe.
Zweitens zum Thema Augenhöhe und Respekt gehören für mich eine Einstellung. Bei den Erwachsenen ist es so: Ich gehe mit der Einstellung in ein Training, in einen Workshop rein, dass ich auf meinem Gebiet sicherlich mehr weiß als die anwesenden Teilnehmer. Das heißt also, ich bin der Kompetente. Ich habe einen Wissensvorsprung, vielleicht auch einen Erfahrungsvorsprung. Gerade im Karate ist es so, dass ich mich sicherlich häufiger mit dem, was ich unterrichte, bewegt habe, dass ich es häufiger trainiert habe, als unsere Schüler und Studenten.
Ich weiß aber genauso gut, dass auf anderen Gebieten die Teilnehmer und die Schüler mehr wissen als ich. Und das respektiere ich und das lasse ich auch immer mal wieder einfließen.
Ich halte mich nicht für irgendwie toller oder besser, weil ich die Respektsperson, weil ich der Trainer, weil ich der Lehrer im Raum bin, sondern ich weiß, auf anderen Gebieten wissen meine Teilnehmer, die mir jetzt gerade zuhören und die mir gerade zuschauen, mehr als ich.
Und das respektiere ich.
Das heißt, innerlich weiß ich:
Wir alle können voneinander lernen.
Und jetzt gerade bin ich dankbar für die Aufgabe des Lehrers und des Trainers, dass die Leute von mir lernen wollen.
Dann kann es natürlich auch mal den Spezialfall geben, dass auf deinem Gebiet, was du gerade unterrichtest, ein Schüler bzw. ein Teilnehmer deiner Seminare oder Workshops mehr weiß als du. Das ist mir - ich weiß nicht, wie lange es her ist - bestimmt vor 10, 12 Jahren mal passiert. Im Bereich EDV.
Ich glaube, ich hab damals eine Excel-Schulung gegeben und einer der Teilnehmer war fitter als ich.
Was hab ich gemacht? Ich hab den natürlich ganz einfach als Lehrer mit eingebunden. Das heißt, ich hab ihn bestimmte Sachverhalte erklären lassen, weil er das einfach besser durchdrungen hatte als ich. Und ich habe in einem Punkt auch zugegeben, dass er mehr weiß als ich und hab ihn gebeten, das mal den Anwesenden inklusive mir zu erläutern. Da hab ich zwar gemerkt, dass er das verstanden hat, aber nicht gut erklären kann. Aber das ist ja dann ein anderes Thema. Und da war ich dann wieder natürlich beim Thema Erklären auf meinem Terrain und hab mich letztendlich wohlgefühlt.
Ja, bei Kindern und Jugendlichen da gilt für mich fast das Gleiche wie für die Erwachsenen, und zwar im Bereich des Wissens.
Ich habe gelernt, dass gerade Jugendliche auf ihren Bereichen unfassbar viel Wissen, unfassbar viele Erfahrungen gesammelt haben. Ich habe z.B. einmal einen jungen Mann erlebt, den würde man gemeinhin als bildungsfern bezeichnen. Der war aber eben in Sachen Mofa-Schrauben und, ich glaube auch, -Frisieren unfassbar fit. Und da kenne ich mich überhaupt nicht aus. Der konnte so ein Teil zerlegen und wieder zusammenbauen. Wahrscheinlich blind oder wie auch immer. Von daher war der mir in im Bereich sehr überlegen.
Im Bereich Computer, IT, Anwendung neuester Gadgets, neuester Programme sind viele Jugendliche und sogar Kinder den heutigen Lehrern deutlich überlegen. Das sehen wir ja auch an dem Thema Digitalisierung der Schule.
Also von daher: Wir etwas fortgeschrittenen älteren Erwachsenen oder auch mitteljunge Erwachsene können von Kindern und Jugendlichen eine ganze Menge lernen.
Was wir auf jeden Fall lernen können, zumindest von den Kindern:
Und genau dieser Spieltrieb - nämlich auszuprobieren, spielerisch auszuprobieren - sollte für uns alle Vorbild für unsere Lernkultur sein.
Und auch das möchte ich dir ans Herz legen.
Der dritte und letzte Punkt, den ich dir heute mit auf den Weg gebe, ist eine echte Methode.
Und von der hatte ich entweder 2013 oder 2014 gelesen, meine ich. Und ich fand das so klasse, dass ich es gleich mal ausprobieren musste.
Dazu erzähle ich dir die kleine Geschichte, wie ich es ausprobiert habe.
Ich habe damals als Dozent in verschiedenen Erwachsenenbildungsinstituten gearbeitet. Und da gab es unter anderem ein Institut, das hat sogenannte Berufs- Vorbereitungskurse durchgeführt. Dort saßen Jugendliche und junge Menschen, die von sich aus keinen Lehrplatz gefunden hatten.
Es waren jetzt eben nicht unbedingt die hellsten Kerzen auf der Torte, würde man sagen. Ich will nicht despektierlich wirken. Es war nette junge Menschen, aber die haben halt nach der Schule den Absprung nicht geschafft.
Dann nahm ich eines Tages der Institutsleiter beiseite und fragte mich: "Herr Maluschja, wir haben da noch eine Klasse. Die haben sicherlich auch schon mal gehört. Da bräuchten wir mal für ein paar Tage eine Vertretung. Würden Sie sich das zutrauen?"
Ich sag: "Ja, warum fragen Sie mich jetzt so?"
"Ja," sagt der Institutsleiter, "also, die Klasse, die ist echt schwierig. Also unter uns. Das ist so eine echte Assi-Klasse. Da gehen die Leute über Bänke und Tische, da fliegen Gegenstände durch die Luft. Also an normalen Unterricht ist eigentlich fast nicht zu denken. Ja, aber wir brauchen unbedingt eine Vertretung. Es ist jemand krank geworden. Meinen Sie, Sie könnten diese Klasse mal für ein paar Tage übernehmen?"
Nun bin ich jemand, der Herausforderungen nicht scheut.
Ich war eine ganze Zeitlang sogar so gestrickt, dass das Wort Herausforderung für mich geradezu magnetisch gewirkt hat.
Ich sage also: "Na klar, mache ich."
Ja, und dann bin ich in die Klasse und... Wie soll ich das sagen? Es war so, wie der Institutsleiter beschrieben hat.
Sehr häufig betone ich bei diesen Menschen, dieser Zielgruppe, als allererstes, dass ich den schwarzen Gürtel in einem Vollkontakt-Karatestil habe.
Bei den jungen Männern kriege ich dann zunächst einmal ein bisschen Respekt dafür, die sind etwas ruhiger.
Aber in dem Fall hielt die Ruhe nicht besonders lange an. Das heißt, die Jungs, die Mädels sind aufgestanden, haben gegenseitig angefangen, sich zu unterhalten, sich zu bewerfen, zu beschimpfen, sind über die Tische gesprungen. Dann flogen Gegenstände durch Luft. Das war Papier, aber das waren dann auch irgendwelche Stifte und anderes Zeug. Also du kannst dir vorstellen, es war nicht schön für mich. Ich bin ja da ehrgeizig, ich habe irgendwie das Ziel, diese Menschen vielleicht doch noch irgendwie fürs Thema zu begeistern.
Das war zu Beginn wieder EDV, was ich unterrichtet habe. Aber es war ja anUnterricht nicht zu denken.
Ich bin dann auf die Methode gestoßen, die ich dir gleich näherbringen will. Und diese Methode habe ich angewendet. Ich hab sie abgewandelt. Ich habe sie nicht so angewendet, wie sie der Urheber, der Erfinder, tatsächlich zur Verfügung stellt. Aber ich hab sie abgewandelt für meine Zwecke.
Ich muss sagen, das hat funktioniert. Ich weiß noch, ich habe dann den Raum verlassen, bin glaube ich irgendwie mal raus vor die Tür oder aufs Klo. Und außerhalb war so eine Art Lobby-Bereich mit einem Counter, mit einem Tresen. Und da saßen zwei Sachbearbeiterinnen, die gleichzeitig Rezeption waren. Und die fragten mich: "Sagen Sie mal, Herr Maluschka, Ihre Klasse ist wohl heute nicht da? Sie haben doch die Klasse so und so."
Ich weiß nicht mehr, wie die hieß.
Ich sage: "Doch, die ist da."
Die gucken mich mit großen Augen an.
"Ja, aber wieso hört man die nicht?"
Ich sage: "Ja, die sind leise."
"Wie, die sind leise? Wie haben sie das gemacht?", fragten sie mich.
Ich sage: "Ich habe eine neue Methode ausprobiert und die funktioniert super."
Das heißt also, diese Menschen, die wirklich vorher im ganzen Institut verschrien waren, haben plötzlich als Klasse zumindest diesen einen Tag funktioniert. Die waren plötzlich ruhig und haben ihre Aufgaben abgearbeitet. Sie haben in der Gruppe mitgearbeitet, wenn wir gemeinsam gelernt haben.
Es war echt unfassbar.
Jetzt bist du vielleicht neugierig. Mit welcher Methode habe ich das erreichen können?
Dazu erkläre ich dir zunächst einmal die Originalmethode, die ich dann abgewandelt habe.
Die stammt von Christian Haschek. Der ist ein Lehrer in Wien, also in Österreich. Wenn ich es richtig gelesen hab, stammt der ursprünglich aus den USA. Das hab ich aber nicht so genau verstanden und so genau bin ich da auch nicht eingestiegen.
Ich gebe dir in den Shownotes auf jeden Fall einen Link zu einem Video auf YouTube. Dort erklärt Christian seine Methode und zeigt sie dir ganz genau.
Und ich gebe dir einen Link zu seinem Blog, wo er auch nochmal seine Methode erklärt, der ist allerdings auf Englisch und damit auch der Artikel.
Die Methode von Christian ist relativ einfach.
Christian ist Techi, der es Nerd, der ist Programmierer und er zockt gerne. Er spielt Computerspiele. Und dort spielt er hauptsächlich, wenn ich das recht verstanden hab, Rollenspiele. Er hat sich also World of Warcraft - dieses Online-Rollenspiel - angeschaut und hat sich gefragt: Gibt es nicht eine Möglichkeit, Unterricht so durchzuführen und zu organisieren, dass es genauso viel Spaß macht, Aufgaben abzuarbeiten, zu lernen, sich zu entwickeln, wie das im Rollenspiel der Fall ist?
Und dabei hat er sich angeschaut: Wie funktioniert das in so einem Rollenspiel? Ja, ganz einfach: Du bekommst eine Aufgabe, die nennt man Quest. Wenn du die Quest erledigt hast, dann bekommst du sogenannte XP - Experience Points - also Punkte.
Wenn du diese Punkte gesammelt hast, dann wird da so ein Balken angezeigt. Der Baklen füllt sich mit deinen XP. Und wenn du mit deinen XP 100 Prozent des Balkens erreicht hast, dann levelt deine Figur nach oben. Das heißt also, du erreichst den nächsten Level.
Und hat er gesagt, das gleiche können wir doch auch in der Schule machen. Die Schüler bekommen nicht mehr Noten, sondern sie bekommen XP. Und wenn sie eine bestimmte Anzahl an XP gesammelt haben, dann leveln sie nach oben. Das heißt, sie verbessern ihre Note von beispielsweise 4 auf 3.
Er hat das so gemacht, dass er eine Homepage programmiert hat. Diese Homepage kann jeder Schüler jederzeit einsehen. Und er hat genau festgelegt: Wofür bekommt jeder Schüler wieviel XP. Und diese XP hat er ganz exakt dokumentiert auf seiner Homepage festgehalten.
Alle Schüler starten zu Schuljahresbeginn mit Null XP und mit der Schulnote 5, das ist in Österreich die schlechteste Note. Natürlich hat er sich vorher vom Kollegium oder Schulleiter oder von der Schulverwaltung die Erlaubnis geholt, dass er das so machen darf. Und das widerspricht auch nicht der Schulordnung. Es entspricht der Schulordnung. Also hat er dieses Experiment durchgeführt.
Und die Schüler haben das begeistert aufgenommen. Das heißt also, die Schüler wussten genau, wenn ich mich im Unterricht beteilige, also wenn ich mich melde und eine richtige Antwort gebe, kriege ich zum Beispiel 5 XP. Wenn ich ein Referat halte, kriege ich 20 XP. Wenn ich ein richtig gutes Referat halte, kriege ich 35 XP. Für Schularbeiten gab es dann, glaub ich, noch Noten. Da weiß ich nicht genau, ob er das mit XP gemacht hat oder mit Noten, aber die flossen im Endeffekt auch ein.
Wenn die Schüler eine bestimmte Anzahl XP erreicht hatten, dann leveln sie von der Note 5 zunächst auf die Note 4, dann auf die Note 3 und so weiter.
Das Interessante ist, dass dieses System tatsächlich motivierend funktioniert. Und ich erinnere mich - da hab ich jetzt kein Artikel gefunden - aber ich erinnere mich daran, dass ich damals gelesen habe, dass sich die Schüler im Schnitt um eine Note verbessert haben durch dieses System.
Interessant ist dazu noch, dass Christian Haschek gesagt hat, er ist nur deshalb Lehrer geworden, um genau dieses System auszuprobieren.
Und das ist eine Super-Motivation, würde ich sagen.
Wie habe ich nun diese Methode, dieses System, für mich abgewandelt? Das verrate ich dir jetzt.
Ich wollte natürlich wegen ein paar Tagen Vertretungsunterricht nicht extra eine Homepage aufsetzen. Ich wollte es nicht kompliziert machen, aber ich wollte die Grundsysteme dieser Methode verwenden, also die Grundprinzipien. Und das hab ich dann auch gemacht.
Was war mir wichtig?
Ich konnte die Schüler nicht mit Noten belohnen, weil sie von mir keine Noten bekommen haben. Also habe ich ihnen eine Belohnung in Aussicht gestellt, die sie auf jeden Fall gut finden. Und was motiviert solche Schüler sehr? Ganz einfach: Wenn sie das gemeinsame Ziel erreichen, dürfen sie eher nach Hause gehen.
Ich hab mir also vom Institutsleiter an dem Tag die Erlaubnis abgeholt, dass wenn die Schüler richtig gut mitarbeiten, sie dann eine Stunde eher Schluss machen können.
Das hab ich den Schülern gesagt zu Beginn. Ich hab gesagt, ich würde gern mit ihnen heute etwas ausprobieren. Ich hab von einer neuen Methode gelesen, die hat so ein cooler Nerd aus Österreich entwickelt und die würde ich ihn gern mal vorstellen und mit ihnen besprechen, wie wir das abwandeln auf unseren Unterricht.
Im Endeffekt haben wir uns wie folgt geeinigt: Mir war also zum einen wichtig, dass Sie ruhig sind, dass sie nicht über Tische und Bänke steigen, sondern dass Sie einfach sich mal konzentriert hinsetzen.
Es gab in der Klasse auch tatsächlich einige Schüler, die wollten wirklich lernen. Und die hat das natürlich immer gestört, wenn dort geschrien wurde. Wenn dort Zeug durch die Luft geflogen ist. Von daher wollte ich Ruhe haben im Unterrichtsraum.
Da habe ich eine so eine Art Skala an die Tafel, ans Whiteboard, gemalt. Das war eine negative Skala und eine positive und ein Nullpunkt. Und da gab einen neutralen Bereich, den negativen Bereich - das war eben Lautstärke - und den positiven Bereich - das war Ruhe.
Und ich hab dann so einen magnetischen Schwamm auf die Skala gesetzt und hab den Schülern damit gezeigt, wo sie vom Lärmpegel her gerade sind.
Und dann haben uns geeinigt, dass wir sagen, alle fünf Minuten oder vielleicht war es auch alle 10 Minuten bekommen sie 5 XP, wenn Sie im positiven Bereich waren. Sie bekommen keine XP, wenn Sie im neutralen Bereich sind, vom Lärmpegel her. Und Sie kriegen 5 XP wieder abgezogen, wenn Sie zu laut sind.
Das ist übrigens auch der Unterschied zum ursprünglichen System von Christian Haschek. Das heißt, er hat es so gemacht: Man konnte keine negativen XP bekommen, sondern das Schlimmste, was halt war, dass du auf deiner schlechten Note sitzen bleibst.
Da hatte ich das System auch noch nicht so durchdrungen und so genau gelesen. Aber trotzdem: Es hat ja funktioniert.
Der zweite Punkt war: Ich wollte, dass die ihre Aufgaben machen und dass sie dann auch in der Gruppe gut mitarbeiten.
Und das hab ich dann so gemacht, dass ich alle 20 Minuten herumgegangen bin und die Ergebnisse und den Fortschritt der einzelnen Leute kontrolliert habe.
Die haben unterschiedliche Aufgaben gemacht. Das heißt, einige mussten in Mathe etwas lernen, weil sie demnächst eine Matheklausur hatten. Andere wiederum wollten in Sachen Exel, in Sachen Word fitter werden.
Und so hab ich verschiedene Aufgaben verteilt und bin dann rumgegangen und habe kontrolliert, wie die Schüler die einzelnen Aufgaben verfolgt und auch mit welchen Ergebnissen sie absolviert haben.
Wenn also das Gesamtergebnis positiv war, dann haben sie - ich weiß nicht mehr wie viele - XP bekommen. Vielleicht waren es 50. Sowas in die Richtung. Also das war natürlich deutlich mehr als die Punkte für den Lärmpegel.
Wie hat das Ganze funktioniert?
Wie ich schon mehrfach angedeutet habe: Es hat außerordentlich gut funktioniert.
Das heißt, die Schüler waren nicht nur ruhig. Sie haben sogar konzentriert gearbeitet. Und was mich echt überrascht hat: die haben auch wirklich gute Ergebnisse abgeliefert. Also selbst die, die normalerweise keine fünf Minuten stillsitzen konnten, waren plötzlich ruhig.
Ja, und das Beste war: Die haben sich dann gegenseitig ermahnt, wenn mal einer anfing, ein bisschen zappelig zu werden, laut zu werden. Da hat dann sein Nachbar plötzlich ihn angestoßen und gesagt: "Mensch, sei leise! Psssst!"
Denn ich hab immer den Schwamm vom Lautstärkepegel sofort verschoben, wenn's meiner Meinung nach zu laut wurde. Und wenn der Schwamm einen neutralen oder sogar im negativen Bereich war, dann haben die sich gegenseitig ermahnt und dann wurde es wieder leiser. Und ich konnte den Schwamm verschieben.
Ich hab dann auch als Spielregel eingeführt, dass, wenn ich den Raum mal verlasse und ich draußen bin und ich komme in den Raum zurück und die sind laut, dann muss ich davon ausgehen, dass sie die ganze Zeit, während ich draußen war, laut waren. Demzufolge bekommen sie natürlich negative Punkte für die gesamte Zeit, die ich weg war. Und das hat dann dazu geführt, dass die Klasse eben außerhalb des Raums nicht zu hören war. Die sind wirklich auch in meiner Abwesenheit still geblieben.
Das System funktioniert wunderbar.
Warum funktioniert das? Ganz einfach: Erstens ist es sehr fair, es ist transparent. Das heißt, jeder Schüler weiß jederzeit wofür bekommt er welche Punkte?
Ich beziehe mich jetzt auf das Originalsystem von Christian Haschek.
Aber auch bei mir im abgewandelten System war es sicherlich so ähnlich. Ich finde das richtig, richtig gut.
Und da stellt sich bei mir natürlich eine Frage.
Das System wurde gelobt. RTL hat darüber berichtet, der österreichische STANDARD. Wenn du auf die Homepage von Christian Haschek gehst, dann findest du dort Links, wo überall über dieses System berichtet wurde.
Und da ist nun die Frage: Was ist denn daraus geworden, wenn das so toll ist? Wenn das die Schüler so sehr motiviert? Wenn die denn so gut mitmachen und sich sogar verbessern. Warum ist das dann nicht überall eingeführt? Warum ist das nicht in ganz Österreich eingeführt? Und warum nicht auch beispielsweise in Deutschland?
Die Antwort gebe ich dir gleich.
Ich will aber noch eins obendrauf setzen. Ich hab vor einigen Jahren von einer Studie gelesen, die an deutschen Schulen durchgeführt wurde. Ich hab dazu einen Artikel gefunden aus dem Jahr 2010. Der steht auf welt.de.
Und dort heißt es: "Universität Dortmund untersucht in einer Langzeitstudie, ob sich Sport positiv auf die Leistung und das Selbstbild von Schülern auswirkt."
Ich meine mich zu erinnern, dass damals in verschiedenen Schulen, vielleicht auch in einer Schule, nur eine Unterrichtsstunde Sport pro Tag für ein ganzes Schuljahr angeboten wurde.
Und das hat bei Schülern zu massiven Verbesserungen geführt. Also die Noten wurden besser, die Mitarbeit wurde besser, die Konzentrationsfähigkeit. Die Schüler waren ausgeglichener. Das Verhalten der Schüler war besser und das Selbstvertrauen ist gestiegen.
Wenn es solche Studienergebnisse gibt, solche Untersuchungsergebnisse, warum wird das nicht in die Realität umgesetzt?
Und da ist dann die ganz einfache Frage: Warum reagiert unser Bildungssystem nicht auf all diese Erkenntnisse? Warum unterrichten wir zumindest an den Schulen - soweit ich das weiß, ich bin ja kein Experte, aber soweit ich wahrnehme - warum unterrichten wir immer noch wie vor 100 Jahren?
Die Antwort ist relativ einfach. Unser Bildungssystem und alle daran Beteiligten sind offensichtlich so schwerfällig, dass sich Veränderungen kaum durchzusetzen scheinen.
Ich darf da vielleicht mal meine Mutter zitieren. Die war früher Lehrerin. Dann war sie lange Zeit Schulleiterin und dann war sie im Schulamt. Da war sie die Chefin von - Ich weiß nicht mehr, wievielen - Dutzenden von Schulleitern.
Sie hat gesagt:
Das Bildungssystem ändert sich nicht, weil sich im System kaum jemand ändern will.
Kaum jemand möchte Veränderungen mitgehen.
Und ich habe da zumindest einmal auch eine persönliche Erfahrung gemacht. Ich habe mit einem Kompagnon zusammen ein Projekt, ich sag mal, angefangen. Damit haben wir auch an einem Businessplan-Wettbewerb teilgenommen, sind sogar in der ersten Stufe unter die besten zehn gekommen von - ich glaube - 85 Gründer-Teams, die eingereicht hatten.
Wir wollten damals ein Elektroauto bauen. Verrückte Idee! Vor allen Dingen für zwei Nicht-Ingenieure. Aber es gibt ja genügend Beispiele wie z.B. den Sion, heißt er, glaube ich, wo sich auch drei Nicht-Ingenieure zusammengeschlossen haben, um ein Elektroauto zu bauen.
Ja, letztendlich wollten wir das gemeinsam mit verschiedenen Schulen machen. Es waren, glaube ich, drei Schulen damals, mit denen wir kooperieren wollten. Und ich erinnere mich an ein Treffen.
Da waren dann Vertreter von den drei Schulen anwesend. Und da saß ein junger Physiklehrer, ein junger Kerl. Er war so um die 30. Und er hat sich so sehr gesperrt gegen alles, was ein bisschen anders war, ein bisschen moderner war. Der hat immer nur gemeint: "Nee, also das wollen die Schüler nicht. Also nee! Also im Physikunterricht? Nein, das machen wir in einer AG. Aber ob die das da wollen? Die Schüler müssen sich doch auf ihre Noten und auf die Leistungen konzentrieren."
Es hat mich erschreckt, wie ein junger Lehrer so abweisend und so, ich nenne es mal, konservativ sein kann. Aber eben im Sinne des: Hey, das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir weiter so!
Und ich frage mich, wenn wir viele solcher Lehrer haben, wie wollen wir dann unsere Kinder, unsere Jugendlichen, auf die ungewisse Zukunft vorbereiten?
Ja, ich will aber trotzdem mit etwas Positivem enden. Und das ist eine ganz einfache Aussage, das ist ein Fakt.
Jeder Mensch kann jederzeit lernen.
Das heißt, unser Gehirn ist neuroplastisch. Und zwar in höchstem Maß. Letztlich kommt es auf die Begeisterung an. Auf die Begeisterung, die du für dein Thema oder für das Ziel oder für die Aufgaben mitbringst. Und bei manchen - so auch bei mir - liegt die Begeisterung auch auf dem Weg. Das heißt, wir begeistern uns für das, was wir machen, für das Wie.
Und das möchte ich dir mit auf den Weg geben.
Wenn wir also Lernen prinzipiell Spaß macht, wenn du neugierig bist, dann fällt es dir natürlich relativ leicht, Neues zu lernen.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren und beim Umsetzen.
Die Links und die Shownotes, auch das Transkript, also die Abschrift, findest du unter Maluschka.com/031 für die 31. Episode.
Und zum Schluss habe ich noch eine kleine Bitte an dich.
Du hast gemerkt, ich habe dieses Jahr eine längere Pause gehabt beim Podcast, bin jetzt aber wieder voller Elan und Drive. Ich hab mir verschiedene Themen aufgeschrieben, also ein Redaktionsplan gemacht. Habe auch schon einen neuen Interview-Partner für die nächste Folge.
Und ich bitte dich, dass du mich unterstützt in meiner Motivation. Und das gelingt ganz einfach. Geh doch auf einen Podcastplayer deiner Wahl, falls du es noch nicht gemacht hast, dann abonniert meinen Podcast.
Bei Spotify z.B. drückst du da auf "Folgen". Wenn du noch einen draufsetzen willst, dann gib mir ein paar Sternchen, dann bewerte bitte meinen Podcast. Und wenn du es richtig fett machen willst, dann schreib mir sogar noch einen Kommentar dazu.
Natürlich kannst du auch jederzeit auf meiner Homepage unter dem Beitrag, unter der Podcastfolge kommentieren. Du kannst mir eine E-Mail schicken.
Ich freue mich über jegliches Feedback.
Und in diesem Sinne danke ich dir ganz herzlich, wenn du mich in meiner Motivation, in meinem Elan unterstützt.
Dann wünsche ich dir alles Gute. Machs gut! Bis demnächst! Ciao! Ciao! Tschüss.
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Bild: AndrewLozovyi / depositphotos
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