Was mir Peinliches passierte, wie ich rettend reagierte
und was ich dabei gelernt habe

VON Axel Maluschka
09. Februar 2015

Ich stehe vor einer Gruppe Frauen. Alle schauen mich an. Sie lauschen meinen Worten. Gebannt. Und dann passiert es. Das, was sonst nur in Alpträumen oder Filmen passiert. Und ich möchte auf der Stelle weggebeamt werden. Per Notfalltransport.

In einem ruhigen Moment, da alle etwas lesen, raunt mir eine Frau aus der ersten Reihe etwas zu. Ich versteh es zunächst nicht. Gehe einen Schritt auf sie zu.

„Herr Maluschka“, flüstert sie, „Ihr Hosenstall…“

Ich schaue an mir unter, und tatsächlich: offene Scheune! Einladung zum Slip-Contest! Freier Blick aufs Private.

Ich weiß nicht, wie mein Gesicht in dem Moment aussah. Meine Gedanken überschlugen sich.

Hat das jemand gesehen? Klar, mindestens eine!

Fangen die gleich alle an zu lachen? Vielleicht…

Oh mein Gott! Trage ich heute eine auffällige Unterhose? Etwas mit Farbe? Ich glaube, ja…

Wie habe ich reagiert? Wie kannst du in solchen Situationen reagieren?

1. Rettung: Überspielen

Ich habe mich umgedreht, als wäre nichts gewesen, und mich bemüht, dezent meinen Reißverschluss zu schließen. Ich glaube, es war mir gelungen. Denn niemand hatte gelacht.

Das klappt allerdings nur, wenn es tatsächlich keiner mitbekommt. Oder alle mitspielen und so tun, als hätten sie nichts gesehen.

Und natürlich müssen dir alle wohlgesonnen sein. Sobald einer in der Gruppe ist, der dir Böses will, hast du verloren. Dann hilft nur noch:

2. Rettung: Darüber lachen

Folgendes habe ich tatsächlich erlebt. Und dieses Mal dachte ich tatsächlich, ich wäre in einem Film. Zum Glück ist es nicht mir passiert. Und wieder spielte ein Hosenstall die wichtigste Rolle.

Ich stand an einem heißen Sommertag vor einem Supermarkt. Die Sonne brannte, die Leute stöhnten unter der Hitze. Und als ich ihn sah, glaubte ich zunächst an einen Hitzschlag. Das konnte doch wohl nicht sein!

Da kam ein Mann um die 50 aus dem Supermarkt geschlendert. Er sah ungepflegt aus, war dick, trug ein altes T-Shirt und knielange Jeans. Doch das, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war sein Hosenstall.

Der stand nicht nur offen. Nein, er bot weit mehr Einblick, als ich haben wollte.

Der Typ trug keine Unterhose. Und so präsentierte er ihn deutlich. Hin und her schwang alles sichtbar.

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Zuerst dachte ich, das ist vielleicht so eine Art Voyeur. In mir blitzte der Gedanke auf, dass ich den Typen ansprechen müsste. Doch dann bemerkte er seinen Mega-Fauxpas, lachte laut und zog sich den Reißverschluss zu.

Ich glaube, das war die einzig vernünftige Reaktion. Überspielen hätte nicht mehr funktioniert. Wenn man über seine Missgeschicke lachen kann, ist das der beste Weg. Denn falls jemand über dich lacht, lacht ihr halt gemeinsam. Und lachen in der Gruppe ist doch immer sympathisch, oder?

3. Rettung: Selbst darüber sprechen

Die dritte Geschichte ist wieder mir passiert.

Ich hielt einen Vortrag zu meinem Thema „Was du vom Karate für deine Konflikte lernen kannst“. Die Leute blickten zu mir. Ich stand im gleißenden Licht der Scheinwerfer. Alles lief super. Ich fühlte mich wohl.

Nach der Hälfte des Vortrags begann es jedoch. Meine Nase lief.

Meine ersten Reaktionen waren eher unbewusst. Es ignorieren.

Doch dann ging es nicht mehr. Ich glaubte irrtümlich, es würde auf der Bühne nicht auffallen, wenn ich kurz mit der Hand unterhalb meiner Nase streiche. Im gleißenden Licht der Scheinwerfer.

Doch irgendwann half auch das nicht mehr. Also ging ich in die Offensive und sagte: „So viel zum Thema, was einem alles auf der Bühne passieren kann. Hat mal jemand ein Taschentuch für mich?“

Ich habe danach eine Zuschauerin gefragt, wie das ganze wirkte. Sie meinte, es wäre sehr menschlich gewesen. Nur sollte ich das nächste Mal früher reagieren. Am besten sofort. Vertuschen funktioniert auf der Bühne nicht.

Doch wie kannst du grundsätzlich souverän auf peinliche Vorfälle reagieren?

4. Rettung: Der absolut souveräne Umgang mit Peinlichkeiten

Die wirklich souveränen Reaktionen kommen ganz tief aus deinem Inneren. Das bedeutet, dass du im Normalfall einen mentalen Wandlungsprozess hinter dir hast. Du hast an dir gearbeitet.

Die schlechte Nachricht: Der Prozess dauert. Lange.

Die gute Nachricht: Wenn du ihn abgeschlossen hast, wirst du dich nur noch selten schämen und in peinlichen Situationen intuitiv souverän reagieren.

Wie gelangst du in diesen Zustand?

Dazu sollten wir uns zunächst einmal fragen, woher genau unsere Scham kommt.

Sie kommt zunächst von dem Gefühl, sozialen Erwartungen oder Normen nicht entsprochen zu haben.

Meiner Überzeugung nach sind diese Normen anerzogen. Bester Beleg dafür sind die Bilder von Urvölkern, die jeder schon gesehen hat. Oder der FKK-Strand.

Dort, wo alle (halb)nackt sind, schäme ich mich nicht für meine Entblößung. Würde ich jedoch nackt über den Bonner Münsterplatz schlendern, sähe die Sache anders aus. Dann würde ich wahrscheinlich sogar verhaftet werden wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. (Wobei das Wort Erregung in Zusammenhang mit Nacktheit ja eigentlich positiv besetzt sein sollte. Doch das nur am Rande…)

Wenn du nun verinnerlichst, dass deine Schamgefühle anerzogen sind, kannst du sie dir auch wieder abtrainieren. Das Problem ist nur, dass dieser umgekehrte Prozess umso schwieriger und langwieriger ist, je tiefer deine Gefühle reichen. Und je früher sie dir anerzogen wurden.

Machen wir ein Beispiel.

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Du bist im Meeting. Vielleicht sogar als Chef und damit Leiter der Veranstaltung. Dir grummelt es schon den ganzen Morgen im Magen. Und dann ausgerechnet in einem sehr ruhigen Moment passiert es. Dir entfährt ein hörbarer Darmwind.

Was fühlst du jetzt? Wie reagierst du?

Wahrscheinlich wirst du dich schämen, denn eine gepflegte Flatulenz in der Öffentlichkeit gehört sich einfach nicht. Nun kannst du auf eine der drei Arten, die ich oben beschrieben habe, reagieren.

Wirklich souverän reagierst du jedoch, wenn dir dein Bio-Sturm nicht mehr peinlich ist. Und wenn du auch nicht versuchst, das vermeintliche Malheur zu vertuschen.

Womöglich kommentierst du dann sogar noch: „Schade, dass kein Windrad hinter mir stand. Da hätte ich viel Strom produzieren können.“

Schon dürftest du die meisten Lacher auf deiner Seite haben.

Doch so ein Spruch gelingt dir im Meeting nur, wenn du dich traust, ganz du selbst zu sein. Beispielsweise beim Männerabend vor der Glotze nach ein paar Bierchen haust du so einen Kalauer wie selbstverständlich raus, nachdem dir anderes entwichen ist. Hier bist du aufrichtig, hier bist du ganz Mensch.

Letztlich hängt der Grad deiner Scham von deiner Souveränität ab. Wenn dir Anerkennung und die Meinung anderer wichtig ist, wirst du dich häufiger im Leben schämen. Wenn du es schaffst, dein Selbstwertgefühl unabhängiger von deinen Mitmenschen zu steigern, wirst du dich weniger oft peinlich berührt fühlen.

Wobei auch hier wieder gilt: Nicht übertreiben! Wem die Meinungen anderer völlig schnuppe sind, der mutiert zum unbeliebten Soziopathen.

Und zum Schluss bekommst du noch ein kleines Werkzeug, wie du deine Schamgrenze im Lauf der Zeit senken kannst.

Wenn du dich mal wieder geschämt hast, frage dich jedes Mal danach, wofür und warum eigentlich. Wenn du gegen eine Norm verstoßen hast, dann stelle dir die Frage: Was passiert nun schlimmstenfalls?

Meistens ist bei einem Normverstoß der schlimmste denkbare Fall schon auf mittlere Zeit – also ein paar Wochen – betrachtet fast völlig harmlos.

Nur lass dir bitte manche Normverstöße nicht zur Gewohnheit werden. Wer sich permanent mit über riechenden Bio-Winden umgibt, wird automatisch im Lauf der Zeit gemieden werden.

Fazit

Wenn dir Peinliches passiert, kannst du auf 4 Arten reagieren:

  1. Überspielen – so tun, als sei nichts gewesen
  2. Darüber lachen – meistens mit anderen zusammen
  3. Es selbst ansprechen – wirkt souverän und sympathisch
  4. Der Königsweg – sich seine Scham im Lauf der Zeit wieder aberziehen. Dann reagierst du immer authentisch, sympathisch und souverän.

Wie hast du in peinlichen Situationen reagiert? Fällt dir ein weitere guter Weg ein?

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